
Im Juni ist das Wetter in London meistens sehr angenehm und mit etwas Glück bleibt man vom typischen englischen Regen-Sonne-Mix verschont. Am südlichen Ufer der Themse, in unmittelbarer Nähe zur Waterloo Bridge, befindet sich das riesige Somerset House. Ein Gebäude mit vier Seiten, das einen wunderbaren Innenhof umschließt. Das Somerset House ist seit Ende des 20. Jahrhunderts ein Zentrum der bildenden Künste. Einen Teil des Gebäudes belegt die Courtauld Gallery – eine der bedeutensten Sammlungen alter Meister. Ein weiterer Flügel wird vom King´s College genutzt. In den anderen zwei Flügeln finden wechselnde Ausstellungen, Konzerte und Workshops statt. Der prächtige Innenhof ist Konzertsaal, Skulpturengarten, Cafe und Treffpunkt in einem.
1776 -1779 baute der britische Architekt William Chamber das Somerset House, das zum Zeitpunkt der Entstehung, nur aus dem Ost- und Westflügel bestand. Erst einige Jahre später wurden der Nord- und Südflügel ergänzt. Über die 3,5 Jahrhunderte wechselte die Nutzung des Gebäudes hin und her. Vom Parlamentsgebäude, über die Nutzung einiger Miniterien, als Stadtort für die Admiralität bis hin zum College reichte das Spektrum. Nebenbei war dort mal das Einwohnermeldeamt, Labore, Archive oder die Londoner Steuerbehörde untergebracht.
In den Jahren 2011-2013 wurde der Westflügel in ein besonderen Ort für Ausstellungen, Konferenzen und der Administration des Somerset Houses umgebaut. Die tcheschiche Architektin Eva Jiricna war mit der architektonischen Umgestaltung beauftragt. Ein Spagat, die historische Substanz zu erhalten und mit neuen, modernen Elementen zu verbinden. Etwas radical Neues war ihr Ansatzpunkt, dass selbst ein Kunstwerk ist und trotzdem den „alten Meistern“ ihren Raum beläßt. Über 5 Etagen schraubt sich die Spindeltreppe in die Höhe. Mich erinnert diese Konstruktion an die menschliche Anatomie. Ein Stützkorsett aus Edelstahlelementen in der Mitte, um das herum die Stufen aus einer besonderen Betonmischung namens Ductal laufen. Ähnlich einer Wirbelsäule, die alles miteinander verbindet. Die Geländer aus Glas bilden den transparenten Abschluss der Treppe und den sichtbaren Übergang zu dem historischen Gemäuer. Somit wird dem Besucher der Blick in die einzelenen Etagen eröffnet – der Weg zur Kunst ist frei – und führt zugleich über ein technisch, modernes Kunstwerk selbst.
Zu Recht hat Eva Jiricna für diese Arbeit mehrere Preise gewonnen, ist es ihr doch gelungen das Somerset House aufzuwerten, es ins nächste Jahrhundert zu bringen, ohne die Historie in den Schatten zu stellen. Eine perfekte Sybiose zwischen alt und neu, wobei immer das Handwerk im Vordergrund steht und zeigt, dass sowohl die Handwerker von 300 Jahren als auch die von heute perfekt Ihr Handwerk verstehen.