
Die heutige Story spannt einen Bogen im doppelten Sinn, einen zeitlichen über rund 200 Jahre und einen architektonischen über einen Marktplatz im Herzen von Sydney – das Queen Victoria Building.
Schauen wir zum Anfang 200 Jahre zurück. Sydney, nach britischen Außenminister Lord Sydney benannt, der zur Zeit von Australiens Entdeckung 1770 durch James Cook, diesen Staatsposten inne hatte, war ein wilder Mix aus Strafkolonie, Militärbasis und kleinen Dorf. An der Stelle wo heute das Queen Victoria Building steht – ein Marktplatz. Ein unbefestigter Platz mit einfachsten Marktständen, wo man alles erwerben konnte, was man zum Leben damals brauchte. Damals brauchte man neben Nahrung etwas andere Dinge als heute. Eine Axt, ein Messer und ein Topf waren zum Beispiel damals überlebenswichtig, genauso wie es heute WLan, American White Flat Latte oder Tripple Cheeseburger sind.
Nachdem der erste Gouverneur Macquarie die Voraussetzungen für eine Stadtplanung schuf, in dem Brücken, Straßen und Plätze anlegen ließ, wurde es auch für den Marktplatz Zeit sich zu verändern. Nach 1830 entstanden die ersten vier Markthallen, so dass zu jeder Jahreszeit ein Handeln der Waren möglich war. Wir empfinden es heute als Selbstverständlichkeit, aber damals war es ein riesiger Gewinn an Lebensqualität, wenn man bei Regen nicht komplett durchnässt und bis zu den Knien im Schlamm stehend seinen Marktstand betreiben konnte.
Ende des 19. Jahrhunderts wuchs Sydney rasant. Ein regelrechter Bauboom hatte die Stadt ergriffen nachdem 1851 der erste Goldrausch auch diesen Teil des Landes ergriffen hatte. Immer mehr Einwanderer aus der ganzen Welt versuchten in Australien ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Also wuchs Sydney in alle Richtungen. Die „alte“ Markthalle war längst zu klein und so entwarf der Architekt Goeorge McRae, auf Wunsch der Stadtverwaltung eine Neue. Groß, Einzigartig und von für die Ewigkeit, waren die Maxime, die wenn man an manche Bauten unserer Zeit denkt, sich kaum verändert haben, McRae mit auf dem Weg gegeben wurden. Also wurde daraus eine Halle von 190 Metern Länge, 30 Metern Breite und 4 Stockwerke hoch. Im Stil der Neoromanik, mit vielen Bögen, Reliefs, Friesen und detailreichen Ornamenten. 1898 wurde die Eröffnung als George Street Market groß gefeiert und erst später in Queen Victoria Building umbenannt. Eine Konzerthalle, Kaffeestuben und eine Vielzahl von Handwerkern und aufkommenden Manufakturen hatten Ihre Läden dort. Aber Dinge und Plätze verändern sich über die Zeit nun mal. Aus der Konzerthalle wurde erst eine Bücherei, dann Büros der Stadtverwaltung und Ende der 1950iger Jahre war das Gebäude soweit runtergerockt, dass ein Abriss die sinnvollste aller Varianten erschien. Zum Glück kam es dazu nicht.
In den 1970iger Jahren erkannte man den ungeschliffenen Rohdiamanten im Herzen Sydney neu, restaurierte das Haus von allen Seiten und schuf eine Ikone der Architektur und des Shoppings. Die offene Konstruktion mit den offenen Galerien in den Etagen lassen den Blick umherschweifen, man kann Details wie die zwei großen mechanischen Uhren von allen Winkeln bestaunen und die reich verzierte zentrale Kuppel, die durch die Deckenöffnungen selbst im Erdgeschoß zu sehen ist, lässt einen das Shoppen schon fast vergessen. Grandios, möchte man ausrufen.
Ein persönliches Highlight sind natürlich die wunderbaren historischen Treppen. An den Eingängen an den Stirnseiten des Gebäudes winden sich dreiläufige Podesttreppen um ein Treppenauge, dass von zwei historischen Aufzügen genutzt wird. Im zentralen Kuppelbau führen T-Treppenläufe in die nächste Etage. Genannt T, weil man mit einem Lauf beginnt und sich an einem Zwischenpodest zwei Treppenläufe links und rechts abgehen. Natürlich nicht einfach gerade, sondern wunderbar geschwungen, verziert und großzügig angelegt. Fast unscheinbar steht in einer Ecke der großen Kuppel noch eine Spindeltreppe, winzig im Durchmesser, aber gewaltig in der Höhe. Sie führt hinauf zu einem Servicebereich für die Kuppelkonstruktion. Super cool und ein fester Anwärter für den Treppenkalender 2020.
Für mehr Wissenswertes besuchen Sie die Webseite des Queen Victoria Building.