Neulich stand ich an der Ampel Lietzenburger Straße Ecke Meinickestraße, schaue entspannt in der Gegend rum und warte auf das grüne Ampelmännchen, um meinen Weg fortsetzen zu können. Mein Blick streift das gegenüberliegende Haus. Graue Fassade, seitlich mit einem Fliesenspiegel bis unters Dach und eher langweilig. Nichts besonderes, ein Wohnhaus wie es tausende in Berlin gibt. Die Eingangstür mit großer Glasfüllung gibt aber den Blick ins Treppenhaus frei und darin befindet sich ein Augenschmaus aus vergangener Zeit. Ein herrschaftliches Entre`mit Marmortreppe, rotem Teppichläufer und einem schmiedeeisernen Fahrstuhl. Geschätzt ist das Treppenhaus rund 100 Jahre alt. Die Marmortreppe führt ins 1. OG, wo man entweder den Fahrstuhl oder eine wunderschöne Holztreppe mit Eisengeländer für den weiteren Aufstieg nutzen kann. Die Treppe verläuft elipsenförmig um den Fahrstuhlschacht herum, eine sehr gebräuchliche und platzsparende Lösung. Leider geht dabei das Treppenauge komplett verloren. Aber es kann ja nicht nur Treppenliebhaber und Fotografen auf der Welt geben und als Immobilienbesitzer muss man wirtschaftlich in Quadratmetern denken.
Vermutlich ist ein Teil des Hauses im zweiten Weltkrieg oder danach zerstört worden. Anders läßt sich die Existenz dieser Treppe in einem Haus mit einer lustlosen Fassade nicht erklären. Gegenüber steht ein ähnliches Gebäude aus dem Jahr 1902. Ähnlches Treppenhaus, aber eine ungleich prunkvollere Fassade. Als Treppenbauer bin ich natürlich happy, dass die versteckte Treppe in der damaligen Schönheit erhalten blieb. So muss man zwar mit geschlossenen Augen über die Straße gehen, aber wenn man sie im Haus dann öffnet ist die Freude um so größer.
Und das Fazit der Geschichte: Auch ein hässliches Haus kann eine großartige Treppe beherbergen. Euch allen einen entdeckungsreichen Dienstag.